Viele Projekte, tiefe Margen, kein Personal

2007 konnten sich viele Businesssoftware-Hersteller über wachsende Umsätze freuen und auch in diesem Jahr zeigen sie sich optimistisch. Der Schuh drückt dennoch an diversen Stellen: Die hohe Arbeitsbelastung gefährdet die Qualität,die Lizenzpreise gehen zurück und gutes Personal ist rar. Die Branchenmesse Topsoft soll neue Kunden bringen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/04

     

Die Frühjahrs-Topsoft steht vor der Tür und die Schweizer Business-Software-Szene präsentiert sich dem Publikum. Business Intelligence (BI) heisst das neue Zauberwort. Weitere heisse Themen sind wie auch schon im vergangenen Jahr die Bereiche Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Resource Planning (ERP) und Dokumenten-Management-Systeme (DMS).
Laut einer Studie des IT-Beratungsunternehmens Capgemini setzten 100 befragte IT-Verantwortliche aus der Schweiz, Deutschland und Österreich Investitionen in Business-Intelligence auf den dritten Platz ihrer Prioritätenliste, direkt hinter dem Dauerbrenner Sicherheit und dem Infrastruktur- und Service-Management. ERP folgt auf Rang fünf und CRM erreichte den sechsten Rang. Positives gibt’s auch von Seiten der Budgetplanung zu berichten: Für das laufende Jahr rechnen rund 58 Prozent der IT-Entscheider mit steigenden Pegelständen in ihren Kassen.

Margen unter Druck

Eine bittere Pille gibt es allerdings dennoch zu schlucken: Capgemini kommt auch zum Schluss, dass der Anteil der Budgets, welcher für Innovationen zur Verfügung steht, von Jahr zu Jahr schrumpft. Mittlerweile betrage er noch rund 22 Prozent der Geldmittel. Die Folge davon seien Kos­teneinsparungen mittels Standardisierung und Outsourcing. Diese Tatsache bekommen auch viele Teilnehmer einer IT-Reseller-Umfrage unter Schweizer Business-Software-Herstellern zu spüren: Trotz Aufträgen im Überfluss leiden viele von ihnen unter steigendem Konkurrenzdruck - insbesondere seitens der grossen Anbieter - und fallenden Preisen. «Wir müssen in Zukunft noch schneller und günstiger werden», bekräftigt auch Daniel Lütscher, Geschäftsführer von Experteam.

Topsoft wächst weiter

Die Themen Business Intelligence und Dokumenten-Management stehen auch an der diesjährigen Frühjahrs-Topsoft im Mittelpunkt, welche am 12. und 13. März in Bern stattfindet. «Besonders empfehlenswert ist sicher die Podiumsdiskussion zum Thema Business Intelligence für kleine und mittlere Unternehmen», sagt Topsoft-Organisator Cyrill Schmid gegenüber IT Reseller. Am ersten Messetag diskutieren Unternehmensanwender, ein Controlling-Experte und unabhängige Berater die Frage, welche Management-Instrumente für KMU sinnvoll sind und wieso nach wie vor viele BI-Initiativen scheitern. «Für KMU ist es eine grosse Herausforderung, die für sie geeigneten BI-Tools zu finden», so Schmid. Der Markt habe aber grosses Potential.
Erstmals findet im Rahmen der Topsoft das «Internet-Briefing» statt. Der Kongress wird von den Veranstaltern als eine «einmalige Gelegenheit» angepriesen, um das eigene E-Business-Wissen auf den neuesten Stand zu bringen. Nicht zuletzt dank dieser neuen Veranstaltung – die im Gegensatz zu den übrigen Topsoft-Angeboten kostenpflichtig ist - rechnet Schmid mit steigenden Besucherzahlen.

Microsoft an der Open Expo

Überproportional gewachsen ist heuer die in diesem Jahr zum vierten Mal parallel zur Topsoft stattfindende Open Expo. In diesem Jahr zählt das Konferenzprogramm doppelt so viele Referate wie noch im Herbst in Zürich und die Anzahl der Ausstellungsstände ist auf rund dreissig angestiegen. An der letzten Ausgabe der Open­Source-Messe zählten die Organisatoren 500 Besucher - diese Zahl dürfte in Bern noch etwas ansteigen. Der Kongress kann jedenfalls mit hochkarätigen Rednern aufwarten: Linux-Programmierer Alan Cox beehrt Bern ebenso mit seiner Anwesenheit wie Barbara Held, Projektleiterin bei der Europäischen Kommission.
Ein unerwarteter Aussteller an der Open Expo stellt in diesem Jahr sicherlich Microsoft Schweiz dar. Dass die meisten Menschen im Zusammenhang mit Opensource-Software nicht unbedingt an den Redmonder Konzern denken, versteht sogar Marc Holitscher, Leiter Plattform Strategie bei Microsoft Schweiz.
«Dabei engagiert sich Microsoft schon seit Jahren in vielen Projekten im Linux- und Opensource-Bereich», rechtfertigt er den Messeauftritt gegenüber IT Reseller. Am Microsoft- Hauptsitz in Redmond betreibe man dazu gar ein eigenes Entwicklungslabor, wo man mit verschiedenen Partnern wie beispielsweise Mozilla gemeinsam an der Verbesserung der Interoperabilität von deren Produkten mit denen von Microsoft arbeite.
«Für uns ist es ein Vertrauensbeweis seitens der Messeorganisatoren, dass sie Microsoft in diesem Jahr zum ers­ten Mal teilnehmen lassen», so Holitscher. Seine Firma wolle die Chance nutzen, um ihre Aktivitäten in diesem Bereich endlich bekannter zu machen.

Branche bleibt zuversichtlich

Insgesamt erwarten die Topsoft-Organisatoren von Schmid & Siegenthaler Consulting 149 Aussteller. Rund 30 von ihnen haben an der Umfrage von IT Reseller teilgenommen. Ihre Antworten zeigen: Der Schweizer Geschäftssoftware-Industrie geht es gut. Nur eine einzige Firma hat sinkende Umsätze zu beklagen, während sich ein knappes Drittel an einem Umsatzwachstum zwischen elf und fünfzehn Prozent erfreuen kann. Immerhin zwei legten zwischen sechzehn und zwanzig Prozent zu und fünf Unternehmen konnten gar ein Wachstum von über 21 Prozent verbuchen.
Obwohl die Wirtschaftsprognosen für das laufende Jahr allgemein etwas verhalten ausfallen, sind viele Schweizer Businesssoftware-Anbieter guter Dinge: Zwei rechnen mit mehr als 21 Prozent Umsatzwachstum, drei schätzen es auf zwischen elf bis zwanzig Prozent und zehn schätzen, dass sie 2008 um bis zu zehn Prozent zulegen können. Elf Umfrageteilnehmer wollten sich nicht auf die Äste herauswagen und enthielten sich einer Prognose.

Viel Arbeit und sinkende Preise

Die meisten Firmen kommen denn auch an die Topsoft, um das Geschäft in Schwung zu halten. Sie erhoffen sich von ihrer Messepräsenz neue Aufträge: Unter den Befragten finden sich 28 Firmenvertreter, die auf Vertragsabschlüsse hoffen.
Zu den grössten Umsatzbremsen zählt auch in diesem Jahr das knappe Angebot an gut ausgebildeten Fachkräften, und dabei ist der Zeitpunkt denkbar schlecht: «Angesichts der vielen Arbeit des grossen Nachholbedarfs der Anwenderunternehmen brauchen Anbieter ein gutes Qualitätsmanagement, um das Beratungsniveau hochzuhalten», sagt Urs Berli vom Zürcher Dienstleistungssoftware-Anbieter Vertec. Zudem kämpfen viele Firmen mit sinkenden Lizenzpreisen, was die Situation weiter verschärft und es nicht eben einfacher macht, die Produkte weiter zu entwickeln und auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. «Die Herausforderung liegt darin, attraktive KMU-Pakete zu schnüren, um eine genügend grosse Kundenbasis für die Weiterentwicklung der Produkte zu schaffen», meint ein Anbieter, der nicht namentlich genannt werden will. Ausserdem handle es sich nach wie vor um einen Verdrängungsmarkt, fügt ein anderer hinzu.
Die Marktkonsolidierung und der Druck seitens der Konkurrenz sieht auch Sage-Marketingleiter Marc Ziegler als grösste Herausforderung im laufenden Jahr. Ausserdem seien beispielsweise bei der Lohnbuchhaltung auch noch neue gesetzliche Regelungen zu berücksichtigen.

Die Konsolidierung geht weiter

Folgerichtig rechnen fast alle Umfrageteilnehmer mit einer weiteren Konsolidierung des Marktes. Sowohl bei den Herstellern als auch bei ihren Vertriebspartnern gebe es «Farmer», die ihre Kunden verwalten und «Jäger», die neue Wege und Produkte suchen, beschreibt Christian Schollenberger, Verkaufsleiter bei All Consulting, die Situation. «Die Zukunft wird den Jägern gehören.» Insbesondere für kleine Software-Anbieter werde es eng, ist auch ein anonymer Teilnehmer überzeugt. «Den .net-Entwicklungsschritt werden viele kleine ERP-Häuser nicht bewältigen können», lautet sein Verdikt. Allerdings sehen nicht alle die Situation so dramatisch: «Die Nähe zum Kunden und die Branchenfokussierung lässt sich nicht wegkonsolidieren», ist Bruno Mischler, Geschäftsleitungsmitglied von Majesty Software, überzeugt. Dem pflichtet auch der Geschäftsbereichsleiter von Sage Bäurer, Christian Vils, zu: «Einige Firmen werden gekauft, neue entstehen und ausländische Firmen kommen in die Schweiz.» Die Geschäftsprozess-Anforderungen der Anwenderfirmen, sagt auch Cyrill Schmid, seien zu unterschiedlich, um sie über einen Leisten zu schlagen. (Markus Gross)


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