IT Reseller-Roundtable: Keine Panik wegen Microsoft und SAP

Wie reagieren Schweizer Hersteller auf den Eintritt von Microsoft und SAP in den Markt für KMU-Business-Software? Vier profilierte Vertreter von Schweizer ISVs im Gespräch.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/21

     

Teilnehmer am Roundtable:
Bilder v.l.n.r.: Claudio Hintermann, Mitbegründer und -Besitzer von Abacus Research; Beat Bussmann, Partner und Geschäftsleiter von Opacc; Roland Renggli, Geschäftsleiter der Simultan-Gruppe; Ralph M. Stucki, Gesamtleiter der Rotron Software.
IT Reseller: Die Augangslage ist bekannt. Mit Microsoft und SAP drängen zwei äusserst finanzkräftige, multinationale Firmen in den Markt für KMU-Business-Software. Die Weiterentwicklung von Software wird gleichzeitig immer teurer. Meine Frage an Sie: Wo wird Ihre Firma in drei Jahren stehen? Werden Sie noch selbständig sein, werden Sie neue Partnerschaften eingehen?
Claudio Hintermann: Wenn eine Firma übernommen wird, so stirbt normalerweise die Software, die sie gebaut hat. Es ist sehr selten, dass eine betriebswirtschaftliche Software, die von einem Konzern übernommen wird, nach ein paar Jahren noch existiert. Es gibt keinen Grund dafür, die Abacus-Software eingehen zu lassen.
ITR: Es wird Also in drei Jahren eine selbständige Abacus geben, die ein umfassendes Paket für Business-Software anbietet.
Hintermann: Man muss nicht alles selbst machen. Wir arbeiten bereits heute mit anderen Firmen zusammen und sorgen dafür, dass die Pakete kommunizieren können. Und wir kaufen Technologie ein. Aber die Software an sich – sprich die Abbildung von Business-Prozessen – wird bleiben.
Schauen wir Microsoft an: Wieviele der zurzeit zehn Business-Software-Linien von Microsoft wird es in drei Jahren noch geben? Ich glaube, keine oder fast keine mehr. Microsoft will eine eigene Plattform bauen.
ITR: Herr Bussmann: Wird Opacc in drei Jahren selbständig existieren und ein vollständiges Paket selbst entwickeln und anbieten?
Beat Bussmann: Wir werden sicher noch als selbständige Firma existieren. Ob wir ein vollständiges Paket entwickeln, ist eine andere Frage. Unsere Firma gehört drei Personen, die alle mitarbeiten. Wir haben überhaupt keine Pläne, die Firma zu verkaufen. Wir bedienen mittelständische Unternehmen und haben unseren Kunden gegenüber vertragliche und persönliche Verpflichtungen. Ein Verkauf wäre gegenüber den Kunden ein Wortbruch – «Take the money and run» ist nicht unsere Art.
ITR: Man spricht zurzeit viel über Simultan. Ist Simultan in drei Jahren noch selbständig, Herr Renggli?
Roland Renggli: Simultan wird in drei Jahren mit Sicherheit noch unabhängig sein. Ich glaube aber, dass es in der Branche zu Bereinigungen kommet. Dies wird auf die ganze Branche Einflüsse haben – sie wird sich verändern. Die Veränderungen sind aber auch eine Chance und ich glaube, dass wir mit unserer Kontinuität zu den Gewinnern gehören werden.

ITR: Wer wird zu den Verlierern gehören? Wird es weniger Player geben?

Hintermann: Wir hatten früher schon Player wie KHK, die x-mal versucht haben, in der Schweiz Fuss zu fassen. Es gibt keinen Anlass für Panik.

ITR: Herr Stucki: Wird es Rotron und Europa3000 in drei Jahren noch geben?

Ralph Stucki: Für uns ist Selbständigkeit kein Ziel. Wir feiern nächstes Jahr unser 25-Jahr-Jubiläum, und es gibt uns immer noch, obwohl wir von allen Firmen am Tisch das kleinste Team haben. Aber man weiss nicht, was die nächsten Jahre bringen. Unsere Strategie muss für unsere Kunden sinnvoll sein – schliesslich entwickeln wir die Software für die Kunden. Aber ich kann nicht sagen, was wir tun würden, wenn Microsoft unsere KMU-Kompetenz als Team kaufen wollte, ob ich dann widerstehen könnte.

Hintermann: Das würde heissen, dass eure Software sterben würde.

Stucki: Da habe ich eine andere Einschätzung. Wir sind ein Team mit den Kunden und wissen, wie sie arbeiten wollen. Langfristig ist es schwierig abzuschätzen, ob sich die unterschiedlichsten Plattformen am Markt halten können. Wenn die Kunden in drei oder fünf Jahren in Richtung einer ERP-Plattform von Microsoft wechseln wollen, unterstützen wir sie in diesem Prozess. Wir würden zum Beispiel noch zwei Releases bringen, die sich evolutionär an diese Plattform annähern.

Hintermann: Am Schluss würde Ihre Software aber untergehen.


Stucki: Ganz am Schluss, irgendeinmal, ja.

ITR: Die grossen Hersteller, vor allem Microsoft, aber auch SAP, sagen, es mache keinen Sinn, weltweit Basistechnologien, wie zum Beispiel Objekte oder bestimmte Funktionen x-fach neu zu entwickeln. Sie wollen Grundpakete anbieten, die dann von lokalen Partnern angepasst und parametrisiert werden.
Hintermann: Warum gibt es noch lokale Zeitschriften wie InfoWeek oder IT Reseller? Warum schreibt Ihr nicht alles von einem internationalen Konzern ab? Warum gibt es Euren Verlag noch? Weil es eben nicht so einfach ist. Zum Beispiel sieht das Objekt «Adresse» in einer Gemeinde, einer Stadt und in einer Finanzbuchhaltung völlig anders aus. Schon nur in der kleinen Schweiz gibt es so viele verschiedene Ausprägungen. Die Leute sprechen von einer Standardisierung, die so auf dem Markt nicht existiert.
Bussmann: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Microsoft ernsthaft darum geht, solche Komponenten zu produzieren. Beim «Commerce-Server» von Microsoft hat es auch eine Adressverwaltung. Das ist Mickey-Mouse-Technologie. Opacc ist kein Broadliner. Wir machen nicht alles und integrieren komplementäre Lösungen wie die Fibu von Abacus oder Simultan. Für uns ist es gut, wenn Microsoft Anwendungen macht, die wir integrieren können. Je mehr Microsoft bringt, desto billiger ist es für uns, die Software zu entwickeln.
Hintermann: Für eine primitive ERP könnte man ja «Money» von Microsoft nehmen. Das mussten sie aber vom deutschen Markt zurückziehen, weil es der gigantische Konzern nicht schaffte, die banalen Objekte von Money für den deutschsprachigen Raum zum Laufen zu bringen. Geld alleine bringt es nicht. Das zeigt doch, wie fragmentiert der Markt ist. Business-Objekte mit dem gleichen Namen machen in verschiedenen Märkten nicht das gleiche.
Bussmann: Ich glaube, Microsoft hat eine Chance mit ergänzenden Anwendungen. Bei CRM zum Beispiel haben sie eine Chance.

ITR: Welche Einschätzung der Microsoft-Pläne hat man bei Simultan, Herr Renggli?

Renggli: Ein Global-Player hat Chancen mit Produkten, die global einsetzbar sind. Microsoft CRM muss man schnell integrieren. Es gibt auch Chancen, ganze Modulblöcke zu integrieren und im Markt zur Reife zu bringen. Man wird solche Module aber nicht einfach fertig kaufen und integrieren können.
Wir bewegen uns in einem reifenden Markt. Es gibt keine Projekte mehr, in denen man nicht in einer Konkurrenzsituation steht. Es ist eine Chance für uns Hersteller, wenn wir die Fertigungstiefe reduzieren können und wir uns nicht mehr um jede Technologie à fonds kümmern müssen.
Hintermann: Ausser CRM-Modulen existiert zurzeit aber von Microsoft nichts. Wishful thinking!
ITR: Weniger Fertigungstiefe. Es geht Also doch in die Richtung, dass Plattformen für Business-Software integriert werden.
Renggli: Das muss nicht heissen, dass unser Produkt nicht mehr eigenständig daherkommt. Ich betrachte deshalb die Microsoft-Pläne eher als Chance denn als Gefahr.
Hintermann: In den nächsten zwei bis drei Jahren wird sich aber nichts ändern. Es gibt noch nicht mal Papiere, wie die Microsoft-Business-Objekte aussehen sollen. Ich befürchte, dass diese Objekte so kompliziert wie EDIFACT-Dokumente sein werden und wir alle damit beschäftigt sein werden, 90% eines Objektes wieder wegzubekommen, weil es der einzelne Kunde nicht braucht. Es gibt 220 Länder weltweit und in jedem Land «n» Branchen. In jedem europäischen Land beherrschen lokale Software-Anbieter wie wir den Markt. Auch Sage hat alle der zusammengekauften einzelnen Linien weitergeführt und eine Vereinheitlichung nicht geschafft.
Stucki: Ich unterstütze die Aussage von Claudio Hintermann absolut. Die Chefetagen der Global Players können sich nicht vorstellen, wie lokal ERP-Lösungen sind. Das kann bis zur einzelnen Gemeinde gehen. Ihre spezifischen Prozesse müssen abgebildet sein, sonst kommt eine ERP für sie nicht Frage.
Aber eine statische Sicht wäre falsch. Es passiert eine ganz grosse Umwälzung im Geschäftsleben allgemein. Eine Schweizer KMU muss heute ein Unternehmensportal aufbauen und seinen Kunden neue Abläufe anbieten. Gleichzeitig muss ein Unternehmen seine inneren Prozesse anpassen.
Der ERP-Markt bewegt sich nur langsam, denn er ist von der menschlichen Lernkurve abhängig. Die Entwicklung einer neuen Lösung ist extrem aufwendig. Deshalb braucht es neue, grössere Komponenten. Ganz früher mussten wir noch die Datenbank oder Disk-I/Os selbst programmieren. Keiner wurde sauer, als dies nicht mehr nötig war.
Heute haben wir XML und Biztalk-Server und sind sehr froh, dass wir uns den analogen Transport von Daten wie eine Rechnung auf Papier ersparen können. Das sind die Technologien, die wir von Microsoft erwarten.
ITR: Auch wenn wir davon ausgehen, dass jeder ERP-Markt sowohl lokal wie branchenspezifisch ist, bleibt der Fakt, dass Software-Bau immer teurer und komplexer wird. Haben Sie die nötige «kritische Grösse», um weiterzumachen?
Stucki: Die kritische Grösse eines Unternehmens definiert sich durch die Basis von Kunden, die bereit sind, jährlich soviel zu bezahlen, dass der Software-Hersteller die Lösung weiterentwickeln kann. Man muss also entsprechend der Komplexität wachsen können und trotzdem über eine lange Zeit profitabel bleiben.
Unser Team ist mit etwas über 25 Leuten brutal klein, trotzdem gewinnen wir immer wieder Projekte gegen Navision mit 3500 Leuten. Wenn die reine Grösse entscheidend wäre, hätten wir keine Chance gegen Navision.
ITR: So einfach kann es doch nicht sein. Ich weiss, dass es eine ganze Reihe von kleineren Software-Herstellern gibt, etwa im AS/400-Umfeld, die sich ganz konkret überlegen, aufzugeben.
Hintermann: Es gibt Dinosaurier-Betriebssysteme und jene, die in diesem Umfeld die Museumswärter spielen. Dass diese sich nach Lösungen für ihr Problem umsehen, ist klar. Wir migrieren heute noch Software, die vor 20 Jahren geschrieben wurden. Und wenn es noch jemanden gäbe, der diese Lösungen wartet, dann würden sie noch weiter eingesetzt. Es ist ein Wahn zu glauben, der Kunde wolle immer das neueste. Wenn man nicht gerade ein Museumswärter für ein sterbendes Betriebssystem ist, kann man ohne weiteres überleben.
Bussmann: Man muss differenzieren. Wenn man im Neugeschäft konkurrenzfähig bleiben will, muss man in Zukunft klar mehr in die Entwicklung investieren als in der Vergangenheit. Das Software-Geschäft besteht aus zwei Teilen: Entwicklung und Vertrieb. Für die Entwicklung braucht man heute nicht unbedingt mehr, aber besser qualifizierte Leute. Und es ist eine Frage der Architektur der Software. Wer in der Vergangenheit ums Überleben kämpfen musste und nur das Nötigste investierte, hat heute ein Problem. Es ist also weniger eine Frage der kritischen Grösse als der Qualität.
Hintermann: Die Prozesse im Business-Bereich sind so unterschiedlich, dass es eben verschiedene Lösungen braucht. Das erklärt auch, warum SAP-Einführungen so teuer sind. SAP-Integratoren sind vor allem damit beschäftigt, die Software von unnötigen Features zu befreien. Der Software-Preis ist dann sehr klein im Vergleich zu den Kosten der Implementation.
Stucki: Nochmal zur kritischen Grösse: Natürlich ist es heute schwierig, mit wenig Geld in den ERP-Markt einzusteigen. Schliesslich haben die existierenden Anbieter sehr viel Arbeit investiert, um die Geschäftsprozesse im Markt zu entwickeln. Man kann diese Prozesse programmtechnisch gut isolieren, so dass sie relativ leicht auf eine neue Plattform, zum Beispiel Dot-Net, aufgesetzt werden können. Wer dies nicht gemacht hat, wird vom Markt verschwinden.
Probleme bekommen aber die Integratoren vor Ort. Sehr kleine Partner, vielleicht sogar Ein-Mann-Firmen, haben zunehmend Schwierigkeiten beispielsweise ein Abacus-System einzuführen. Die Anforderungen an die IT haben enorm zugenommen. Der Kunde braucht Organisations- und betriebswirtschaftliche Beratung, Ausbildung und die Integration in die IT und ans Internet.
Renggli: In Zukunft wird nicht nur die Fähigkeit entscheidend sein, ein gutes Produkt zu entwickeln. Ebenso wichtig wird es sein, das Produkt zu vermarkten und zu implementieren. Der Kunde will die Abbildung seiner Prozesse und will Investitionsschutz. Er will sicher sein, dass sein Produkt in einigen Jahren noch existiert.

ITR: Simultan wird sich also in Richtung eines Systemintegrators entwickeln?

Renggli: Wir sind sicher, dass wir mit eigenen Kräften die Produkte entwickeln, aber auch vermarkten und implementieren müssen. Dies aber auch innerhalb von Kooperationen. Eine solche Kooperation schliesst auch Konkurrenz nicht aus.

ITR: Wechseln wir das Thema: Wie wird sich der Markt nächstes Jahr entwickeln?

Bussmann: Der Markt in unserem Zielsegment ist absolut intakt. Im KMU-Bereich gibt es Investitionsbereitschaft. Es sind eher die Grossunternehmen, die die Zyklen verursachen. Die Konkurrenz ist grösser, einige Unternehmen verschwinden und wir treffen immer mehr die gleichen Mitbewerber. Aber wir haben Arbeit bis zum Abwinken.
Renggli: Vor allem an der Verkaufsfront wurde der Markt kompetitiver. Wir haben massiv in den Verkauf investiert und sehen jetzt langsam die Resultate. Man braucht sehr viel Kompetenz an der Verkaufsfront. Wir haben aber auch Situationen erlebt, in denen die Kunden Projekte aufschieben.
Hintermann: Man muss differenzieren. Gewisse Branchen investieren weniger, andere mehr, aber wir können uns sicher nicht beklagen.
Stucki: Uns kommt die Marktsituation in bestimmten Segmenten sogar entgegen. Zum Beispiel veräussert heute die ABB verschiedene Geschäftssegmente in MBOs oder Spin-offs. Die brauchen zum Teil sehr rasch eine Lösung für 20 oder 50 Leute. Da können wir möglichst rasch Software zur Verfügung stellen.
Renggli: Für Vertriebspartner sieht es anders aus. Wer ohne eigene Wertschöpfung im Projektgeschäft – vor allem im unteren KMU-Segment – tätig ist, erlebt eine angespannte Situation.
ITR: Wir sprachen heute noch nicht über SAP und Business One. Liegen wir von IT Reseller tatsächlich völlig daneben, wenn wir dem Markteintritt von SAP im KMU-Segment eine grosse Bedeutung zumessen?
Hintermann: Ich glaube, SAP hat in einer Panikreaktion die israelische Firma gekauft, die Business One entwickelt hat. Dann wurde die Software in kürzester Zeit in den Markt gedrückt. Ohne Lohnabrechnung, ohne Kostenstellen, ohne Projekt-Abrechnung und ohne Umlaute auf den Auswertungen. Das kann nicht die Konkurrenz des nächsten Jahres sein. Das Produkt ist nicht fertig und wurde für Kleinstkunden entwickelt. Aus einem Döschwo kann man keinen BMW machen.
ITR: Die fehlenden Funktionalitäten sollen von lokalen Herstellern ergänzt werden.
Bussmann: Ich war schockiert, als ich Business One gesehen habe. SAP hat mit diesem «Mickey Mouse»-Produkt keine Chance in einem Markt, wo bestehende, geschäftskritische ERP-Lösungen abgelöst werden sollen.
Hintermann: Das Produkt von SAP kann nicht einmal das, was wir 1983 programmiert haben. Man kann viel mit Marketing machen. Aber man muss auch einen Döschwo zu Döschwo-Preisen verkaufen. SAP versucht, einen Döschwo mit Spoilern aufzumotzen und zu BMW-Preisen zu verkaufen. Das wird nicht funktionieren.
Stucki: Vergessen wir es, über SAP im nächsten Jahr zu reden. SAP ist eine typische Grossfirma. Da gibt es Leute, die denken gross. Man beschliesst, dass im nächsten Jahr 15% mehr Umsatz her müssen. Wo holt man die? Im KMU-Segment. Also kauft man eine Firma und wirft ein KMU-Paket auf den Markt.
Das Problem ist, dass diese Überlegungen nichts mit der Realität im Markt zu tun haben.

ITR: Was ist in drei Jahren? Wird SAP scheitern?

Stucki: Irgendeinmal wird SAP das Produkt in den Markt drücken und eine ganze Spur von frustrierten Kunden hinterlassen. Damit werden wir am Schluss zu kämpfen haben.
Hintermann: Erinnern wir uns an IBM und Concorde XAL. Vor ein paar Jahren hat IBM die Hälfte von Concorde gekauft und beschwor die AS/400-Händler, auf Concorde zu setzen. Nach zwei oder drei Jahren verkaufte IBM ihre Beteiligung klammheimlich. Die Software landete um drei Ecken bei Microsoft und soll gar nicht mehr auf AS/400 laufen. Der Lackierte ist der Kunde.
Stucki: Wenn wir die reinen Zahlen anschauen, müsste es mir ja kalt den Rücken hinablaufen. Microsoft hat 22’000 Entwickler, die jetzt auch noch Business-Software herstellen werden. Doch auch Microsoft muss Teams bilden. Der intellektuelle Prozess wird meistens nur von wenigen Leuten gemacht. Doch die Frage ist, ob ein grosser Konzern mit seinem riesigen Overhead effizienter, als ein Netzwerk von KMUs, von denen jedes seine Kernkompetenz hat.
Wir haben auch sehr kleine, aber spezialisierte Partner. Wir haben immer einen Teil der Entwicklung nach aussen gegeben. Ohne ein Netzwerk von anderen Firmen, die Teile entwickeln, könnten wir schon lange nicht mehr existieren. Das ist mindestens so effizient, wie das Top-down-Denken eines Chefs einer Grossfirma.
ITR: Am SAP-Partner-Tag zu Business-One erlebten wir, wie gross das Interesse gerade von kleineren Software-Herstellern war. Was empfehlen Sie diesen Leuten?
Hintermann: Ich würde mit SAP sicher zuwarten, bis die Grundfunktionalitäten da sind. Ansonsten kann man sich die Software von unseren Konkurrenten oder von uns anschauen. Ich Sage sicher nicht, dass Abacus die einzige Alternative sei.
Bussmann: Sie müssen eine Strategie suchen, den bestehenden Kunden einen Migrationspfad aufzuzeigen. Er muss ein Produkt finden, dass die Migration bieten kann. Als Branchen-Software-Anbieter verkauft man den Kunden nur einmal eine Lösung, die nicht funktioniert.
Renggli: Grundsätzlich verstehe ich das Interesse an Business One. Doch nach der Show kommt der Geschäftsalltag. Es ist eine ganz andere Herausforderung, den Kunden einen gangbaren Weg für die Zukunft aufzuzeigen.
Wer eine spezialisierte Branchenlösung hat, kann nicht innert wenigen Monaten eine neue Lösung aufzeigen. Dazu braucht es Investitionen und entsprechend Finanzkraft.
Hintermann: Es gibt hochkomplexe Lösungen auf AS/400, richtige Kunstwerke, die über Jahre hinweg entwickelt und gepflegt wurden. Diese abzulösen ist eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Deshalb muss die Software, auf die man bauen will, ebenfalls ziemlich mächtig sein.
Stucki: Diese Lösungsanbieter sind in einer speziellen Situation. Die Kunden haben das Recht, befragt zu werden. Der nächste Schritt ist es dann, lokale Kompetenz zu kaufen. Er muss zu jemandem gehen, der in der Schweiz Entwicklungskapazität hat.
Ich ärgere mich manchmal halt schon: Da kann eine grosse Firma, oder eine mit viel Geld aus dem IPO, kommen und 10 Millionen in den Markt buttern. Wir, die wir am Markt mit unseren viel kleineren Marketing-Budgets operieren, müssen um diese herumkurven. Wenn dann der grosse Geldregen vorbei ist, dürfen wir all jene nassen Gestalten einsammeln.

Bussmann: Stimmt – der Flurschaden ist dann jeweils recht gross.


ITR: Hat die Branche ein Image-Problem?

Renggli: Nach all den Ups- und Downs sucht der Kunde Stabilität, Vertrauen und Kontinuität. Konservative Werte sind neben der reinen Technologie beim Kunden gefragt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es substantielle Veränderungen im Markt geben wird. Der Eintritt von neuen Playern ist nicht so einfach, wie sie sich das vorstellen. Mit ein bisschen Marketing ist es nicht gemacht. Trotzdem schliesse ich nicht aus, dass sich im Bereich von KMU-Software Veränderungen abzeichnen.
Es gibt viele Wege in den Markt. Wir sind einerseits ein guter Kunde von Microsoft, auf der anderen Seite aber auch absehbar ein Konkurrent. Das schliesst sich gegenseitig nicht aus.
Hintermann: Was mir mehr zu denken gibt, ist, dass sich aus politischen Gründen immer mehr Regierungen überlegen, wie sie sich aus der Abhängigkeit von Microsoft befreien können. Die spanische Regierung beispielsweise hat aus ideologischen Gründen eine eigene Distribution von Linux finanziert. Das bedeutet für uns, dass wir uns nicht mehr einfach auf Dot-net konzentrieren können. Das macht unsere Existenz kompliziert. Für Microsoft war dieser Trend sehr wahrscheinlich mit ein Grund, Business-Software-Firmen aufzukaufen.
(Interview: hc)


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