Vom Wollen und Können eines CMS-Einsatzes

Jeder denkt, der andere tut es. Alle möchten, aber keiner weiss wirklich, wie es geht: Content Management.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/08

     

Mit «Content Management» hat die Branche schon seit längerem ein Modewort gefunden. Mancher Hersteller traditioneller Dokumentenmanagement-Software bietet seine Tools nun unter diesem Begriff an. Verständlich. Marktforscher IDC etwa prophezeit bis 2003 für Content-Management Systeme (CMS) weltweit Investitionen von 12 Milliarden Dollar.
Allzu oft jedoch findet die Anpassung vorwiegend in der Werbung statt. Wie Kate Muldoon vom E-Business-Magazin «Line56» sagt: «Content Management erinnert an Gymnasiasten-Sex: Jeder denkt, dass es der andere bereits macht. Alle möchten es ebenfalls tun. Tatsächlich aber machen es erst wenige. Und diese erst noch selten gut.»
Das Web stellt neue Anforderungen an die Verwaltung und Veröffentlichung von Informationen. Bisher verstand man unter Dokumentenverwaltung hauptsächlich die Sortierung, Archivierung und Weiterleitung von Unterlagen für den firmeninternen Gebrauch. Content Management meint jedoch ein umfassendes System für die Erstellung, Verwaltung und Pflege von Inhalten, sowohl innerhalb des Unternehmens, als auch für den Web-Auftritt nach aussen.
Content bedeutet meist eine wilde Mischung von strukturierten und unstrukturierten Inhalten, HTML-Dokumenten, Grafiken und Bildern, E-Mail, Archivdaten, Datenbanken und Streaming Media. All dies muss katalogisiert und strukturiert werden, um für Analysen und Präsentationen zur Verfügung zu stehen. Der entscheidende Punkt dabei: CMS trennen die Inhalte vom Layout und binden auch Metadaten ein.

Herausforderung Integration

Aufgemöbelte Dokumentenverwaltungs-Systeme ermöglichen zwar eine brauchbare Inhaltsverwaltung. Das Problem liegt jedoch bei der Integration des Web-Content-Management. Das bestätigt auch eine Studie des holländischen Internet-Marktforschers Van Dusseldorp & Partners. Auftraggeber war der Anbieter von XML-basierter Web Content Management Software Tridion.
Dieser stellt auf seinem «Benchmark Portal» Business-Besuchern Fragen über ihre Internetaktivitäten und verspricht dafür einen «objektiven Vergleich mit dem Branchenstandard». Die Angaben aus diesem Portal hat Van Dusseldorp in einer Studie ausgewertet: Mehrsprachige Publikation, verschiedene Sites und die Veröffentlichung über unerschiedliche Kanäle machen die Online-Kommunikation für viele Unternehmen immer komplexer.
Über 65 Prozent sagen, sie benutzen mehr als einen Publikationskanal. Weitere 60 Prozent arbeiten mit mindestens zwei Versionen ihrer Websites. Dass die Aktivitäten vieler Unternehmen immer öfter auch international ablaufen, macht die Sache nicht einfacher. Die Gefahr wächst, dass man nicht weiss, was mit den verschiedenen Inhalten passiert.

Die «Content-Crisis»

Der Zweck eines CMS ist es, die Kontrolle von einer Handvoll IT-Leuten zu den Anwendern in den Abteilungen zu verlagern. Ein einheitliches Interface für ein virtuelles File-System ermöglicht es, sämtliche Dokumente auf die gleiche Weise zu bearbeiten. Dabei durchläuft der Content mehrere Phasen. Zuerst werden die Inhalte im Web und in den internen Systemen gesammelt und katalogisiert. Dann folgt die redaktionelle Aufbereitung und Freigabe. In einer dritten Phase werden die Inhalte für individuelle Bedürfnisse zusammengestellt.
Schliesslich schliesst sich der Kreis: Die Ergebnisse jeder Phase werden analysiert und für die Wiederverwertung gespeichert. Damit wird das CMS zu einem wichtigen Teil der IT-Struktur. Gartner Research meint, dass die meisten grösseren Unternehmen nicht mehr darum herum kommen werden, da sie sonst in eine «Content-Krise» hineinlaufen: Das Unternehmen verliert die Kontrolle über Speicherung, Suche und Verteilung seiner Dokumente.
Gartner rechnet in den nächsten zwei Jahren bei knapp einem Prozent der mittleren und grossen Unternehmen mit einer solchen Situation. Aufgrund dieser Krise, prognostiziert Forrester, werden manche Manager erst merken, dass die Effizienz des CMS ein entscheidender Faktor für die Produktivität ist.

Komplexität explodiert

Laut Von Dusseldorp ist in den letzten 12 Monaten die Komplexität beim Content Management dramatisch gestiegen, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Verarbeitung multimedialer Inhalte und der Personalisierung.
Das Internet wandelt sich vom Promotion- und Marketing-Instrument zum Business-Tool, mit dem Unternehmen Umsatz generieren wollen. Vor allem Anbieter von Produkten und Dienstleistungen geben dies als wichtigsten Grund für ihre Internet-Aktivitäten an. Frühere Unersuchungen von Van Dusseldorp und der Aberdeen Group zeigten, dass europäische Internet-Anwender lokalisierte und personalisierte Inhalte wollen. Laut Gartner sind lokalisierte Webseiten gar «der Schlüssel», um Europäer – sowohl im B2B – als auch im B2C-Bereich – auf eine Site zu locken.

Ein Drittel mit Eigenentwicklung

Doch nur rund ein Fünftel der Befragten verfügt über eine Abteilung für Online-Aktivitäten. Es wundert wenig, dass dies vor allem in den Bereichen Off- und Online Printing, Online Media und Entertainement, Transport, Reisen und Freizeit der Fall ist. Allein die verschiedenen Media-Dokumente und die parallele Publikation im Web und im Druck verlangen etwa im Media-Sektor effiziente Management-Tools.
Ausserhalb dieses Bereiches aber sehen die meisten Unternehmen Content Management nach wie vor als Aufgabe von Sales und Marketing. Immerhin setzt die Mehrheit irgendein Tool ein: 34,8 Prozent arbeiten mit einer Eigenentwicklung, so Van Dusseldorp. 26,7 setzen auf kommerzielle Lösungen. 12 Prozent der Befragten beabsichtigen, in den kommenden Monaten eine CMS-Lösung anzuschaffen, weitere 8,3 Prozent innerhalb eines Jahres. Keine Notwendigkeit dafür sehen nur gerade 18,5 Prozent.
Trotz dem verlangsamten Wirtschaftswachstum wird die Online-Kommunikation weiter zunehmen. Marktforschungsunternehmen wie Jupiter und Forrester meinen daher, dass die meisten heute eingesetzten Systeme bald nicht mehr genügen und die Unternehmen zu «Best of Breed»-CMS-Lösungen wechseln werden. (fis)
Infos zur Studie von Van Dusseldorp http//benchmark.tridion.com/report–secure/benchmarkreport.pdf


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