'Stillstand wäre ein grosser Fehler'
Quelle: Zibris

"Stillstand wäre ein grosser Fehler"

Der Wechsel des gesamten Wortmann-Schweiz-Teams zu Zibris hat im hiesigen Channel für Aufsehen gesorgt. Zibris-Boss Mariano Isek und sein neuer Mitarbeiter – Wortmann-Schweiz-Chef Andy Beck – erklären die Hintergründe.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2017/07

     

"Swiss IT Reseller": Andy Beck, warum wechseln Sie von Wortmann zu Zibris?
Andy Beck: Der Wechsel stellt für mich so etwas wie einen Lebensabschnitts-Grundsatzentscheid dar. Ich bin in einem Alter, in dem ich nochmals eine neue Herausforderung annehmen kann, und ich sehe in meinem Engagement bei Zibris die perfekte Chance für die Zukunft. Ich glaube, Zibris ist ein Vorreiter im Schweizer Channel und geht heute schon in die Richtung, in die früher oder später die ganze Branche gehen wird. Die Idee von Zibris, die Philosophie, überzeugt mich, genauso wie das Team, das Umfeld und die Unternehmenskultur, was für mich mitentscheidend ist.


Das alles sind einleuchtende Gründe. Ungewöhnlich ist aber, dass mit Ihnen auch gleich das gesamte Team von Wortmann Schweiz wechselt. Wie ist es dazu gekommen?
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war darüber auch überrascht. Die ursprüngliche Idee war die, dass ich wechsle, und dass der Rest des Wortmann-Schweiz-Teams die Geschäfte weiterführt. Doch das Team wollte das nicht, wollte stattdessen mit mir wechseln. Also haben wir die Möglichkeiten mit Zibris angeschaut, und einen Weg gefunden.
Nichtdestotrotz wird man das Gefühl nicht los, dass es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Schweizer Team und dem Wortmann-Mutterhaus in Hüllhorst gekommen ist.
Mein Entscheid zu wechseln hat einzig und allein mit den eingangs genannten Gründen zu tun. Der Rest des Teams sah meinen Wechsel dann als Chance, selbst eine neue Herausforderung anzunehmen. Hierzu muss ich anfügen, dass es für eine Reihe dieser Mitarbeiter auch Zeit war für etwas Neues, da sie schon sehr lange für mich beziehungsweise Wortmann Schweiz arbeiteten und zum Teil auch unterfordert waren. Ich will aber nicht bestreiten, dass wir bei Wortmann Schweiz zum Teil sicher auch andere Ideen hatten als das Mutterhaus.


Seitens Wortmann-Vorstandschef Siegbert Wortmann hiess es, dass die Schweizer Niederlassung überbesetzt gewesen sei. Wäre es nicht zum Zibris-Wechsel gekommen, hätte es dann Entlassungen gegeben?
Es gab bereits vor zwei Jahren Diskussionen diesbezüglich, und ich habe damals schon klargemacht, dass ein Stellenabbau keine Option ist. Wir haben in der Schweiz 42 Millionen Franken Umsatz gemacht und durch unseren Service und Support eine hervorragende Position hierzulande erreicht – nicht umsonst haben wir fünf Mal hintereinander den IT Reseller Disti Award gewonnen. Dieses Level war aber nur mit der Belegschaft, die wir hatten – vier Ausgelehrte und zwei Lehrlinge – zu halten. Für die Aufgaben, die wir erfüllten, waren diese Stellenprozente notwendig. Natürlich hätte man optimieren können, indem man mehr mit Deutschland zusammengearbeitet hätte. Dadurch hätten wir aber bei der Reaktionszeit verloren, was eine unserer grossen Stärken war.
Also hätten Sie den eigenen Qualitätsanspruch nicht mehr erfüllen können?
Das will ich so nicht sagen, das wird die Zukunft zeigen. Sicher ist, dass Wortmann in der Schweiz künftig mit einer etwas anderen Philosophie unterwegs sein wird. Wichtig scheint mir, dass Wortmann in der Schweiz bleibt, was ja geplant ist. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass man für Business in der Schweiz vor Ort präsent sein muss. Für das Schweizer Geschäft braucht man Schweizer.


Die nächste Frage geht an Sie, Herr Isek: Ein komplettes Team zu übernehmen, ist auch für Zibris eher ungewöhnlich. Warum dieser Schritt?
Mariano Isek: Gute Mitarbeiter zu finden, ist im Channel – wie wohl in den meisten Branchen – eine grosse Herausforderung. Unser Team auszubauen war ein Thema, das uns schon lange beschäftigt hat. Wir kannten Andy Beck und sein Team, wussten um seine Qualitäten, und als sich die Möglichkeit ergeben hat, das ganze Team zu übernehmen, haben wir uns dafür entschieden. Denn bei uns steht einiges an, und wir können die Leute und deren Know-how gut gebrauchen. Im Übrigen haben wir neben den Wortmann-Leuten weitere Mitarbeiter eingestellt – etwa in der Buchhaltung und in der Administration. Ausserdem werden wir per 1. August ein Büro in Genf eröffnen, mit einem Mitarbeiter vor Ort.
Zibris zählte zuletzt 18 Mitarbeiter, nun vergrössert sich diese Zahl um rund 50 Prozent. Wie meistert Zibris diese Herausforderung?
Wie wir bis jetzt jede Herausforderung gemeistert haben: Learning by doing. Wir nehmen die Herausforderungen, wie sie kommen, und so ein Schritt setzt eine gewisse Flexibilität von allen Seiten voraus. Allein schon darum, weil der Platz knapp wird.

Wie lösen Sie das Platzproblem?
Zibris wird spätestens Anfang 2018 umziehen. Einige Hundert Meter vom jetzigen Standort entsteht derzeit ein neues Bürogebäude, in dem wir einen ganzen Stock besetzen und massiv mehr Platz haben werden. Dieser Umzug war schon länger geplant, schon vor der Wortmann-Geschichte. Insofern hat auch dieser Puzzlestein gepasst.


Bedeuten 50 Prozent mehr Mitarbeiter auch, dass Sie 50 Prozent mehr Umsatz machen müssen?
Im Wesentlichen stimmt diese Aussage wohl, ja. Und wir sind uns der Herausforderung und der Risiken bewusst. Doch meine Philosophie war schon immer vorwärtsgerichtet. Stillstand in unserem Markt, der sich so wahnsinnig schnell verändert, wäre ein grosser Fehler.
Bis anhin ist Zibris jedoch organisch gewachsen, nun diese massive Vergrösserung auf einen Schlag. Haben Sie keine Angst, sich zu übernehmen?
Diese Angst ist sicher vorhanden, und wohl auch berechtigt. Doch ich glaube an unsere Strategie und daran, dass der Schritt, den wir jetzt tun, der richtige ist. Andy Beck mit seiner Erfahrung stützt mich bei diesem Entscheid.

Aber Sie werden ihr angestammtes Geschäftsfeld – Storage und Archivierung – nicht verlassen?
Wir haben neu Aruba in unserem Portfolio, insofern haben wir unser Geschäftsfeld bereits ausgebaut. Denn zu einem gewissen Mass sind Arubas Netzwerk- und Security-Lösungen Neuland für uns. Und wir setzen grosse Hoffnungen in diese Produkte. Den Bereich Security wollen wir zudem weiter ausbauen, und auch im Bereich Internet of Things wollen wir uns einen Namen schaffen und aggressiv zulegen.


Weiss man bereits, wie die ehemaligen Wortmann-Leute bei Zibris eingesetzt werden sollen?
Andy Beck wird sich zusammen mit einem Team um Aruba kümmern. Dann werden wir das Team, das sich um Pure Storage kümmert, ausbauen. Und nicht zuletzt werden die Wortmann-Leute die Technik, das Marketing und den Verkauf verstärken, wobei insbesondere die Verkaufsthematik für unsere Händler spannend wird.
Inwiefern?
Wir werden der erste Distributor sein, der einen eigenen Telesales-Mitarbeiter beschäftigt und der die Kunden-Akquisition seinen Resellern als Dienstleitung anbietet. Wir haben unsere Reseller schon bisher im Verkauf unterstützt, doch aus dem Wortmann-Team verstärkt uns nun ein Mitarbeiter, der das Thema verinnerlicht hat und der im Gegensatz zu den meisten Telesales auch über tiefes Know-how bezüglich der Produkte, die er verkauft, verfügt. Das wird ein wesentlicher Value Add für unsere Händler sein.

Gibt es sonst noch Bereiche, die Sie ausbauen wollen?
Wir wollen weitere Hersteller mit ins Portfolio aufnehmen, für Details ist es jedoch noch zu früh. Wir werden aber dank den neuen Partnerschaften Gesamtlösungen als Paket anbieten können, wie das bislang kein Disti in der Schweiz kann.


Und welche Aufgaben wird Zibris künftig für Wortmann übernehmen?
Diese Diskussionen laufen noch. Aktuell ist die Idee, dass wir den Service und Support übernehmen. Uns ist wichtig, dass die Wortmann-Kunden weiterhin optimal betreut werden, auch in der Phase bis klar ist, wie es mit Wortmann Schweiz weitergeht. Wir unterstützen Wortmann wo immer nötig – wie weit die Unterstützung gehen soll, muss Wortmann aber selbst entscheiden.

Wäre es auch eine Option. Wortmann-Disti zu werden?
Nein, das ist kein Thema. Wir werden uns einzig auf den Service und Support beschränken, und wir können uns gut vorstellen, künftig als Wortmann-Servicecenter zu agieren. Doch den Verkauf und Vertrieb soll Wortmann auch in Zukunft selbst machen.

Wir werden den Service und Support grösstenteils von Deutschland aus machen

Nach dem Abgang von Andy Beck und des gesamten Teams von Wortmann Schweiz wird Sascha Wiebe die hiesigen Geschäfte als Country Manager Schweiz leiten. Wiebe, der zuletzt als Vertriebschef amtete, wird diese Aufgabe von Deutschland aus ausüben, wie er gegenüber "Swiss IT Reseller" erklärt.

Und auch sonst sollen die Aufgaben, die bis anhin die Schweizer Mitarbeiter von Wortmann erledigten, von Deutschland übernommen werden – zumindest vorerst. "Wir haben den Service und Support umstrukturiert und werden ihn grösstenteils von Deutschland aus machen. Wir haben dazu den passenden Logistikpartner gefunden, so dass wir Waren innerhalb eines halben Tages verschicken können. Wenn ein Kunde bis 16.30 Uhr bestellt, erhält er die Lieferung am Folgetag. Und für Ersatzteile können wir sogar versprechen, dass diese bis 12.00 Uhr beim Kunden sind", so das Versprechen von Wiebe. Auch am Vier-Stunden-Vor-Ort-Service, der in der Schweiz angeboten wird, will man festhalten. "Hierzu haben wir im Zuge der Umstrukturierung separat ein TNT-Lager in der Schweiz angemietet. Über TNT können wir den Service logistisch innerhalb von vier Stunden realisieren, die Arbeit vor Ort beim Kunden werden weiterhin unsere Schweizer Partner übernehmen."
Einen kleinen Teil der Arbeit wird auch Zibris – das Unternehmen, wohin die Wortmann-Belegschaft wechselt – künftig übernehmen. "Wir brauchen für unsere Schweizer Partner eine Rücksendeadresse, damit wir ihnen die Zollabwicklung ersparen können. Hier können wir bis auf Weiteres auf Zibris als Sammelstelle zurückgreifen." Eine weiterführende Zusammenarbeit bezüglich Service und Support zwischen Wortmann Schweiz und Zibris sei aber nicht geplant.


Auf die Frage, ob man nach der Umstrukturierung den bisherigen Service-Level, für den Wortmann Schweiz ja mehrfach ausgezeichnet wurde, auch von Deutschland halten kann, erklärt der neue Schweizer Länderchef: "Ja, auf jeden Fall. Unsere internen Logistiktests waren zu 100 Prozent erfolgreich. Mit dem neuen TNT-Lager für den Vier-Stunden-Service können wir unsere Leistung sogar noch optimieren. Zudem haben wir in Deutschland den Vorteil, dass wir praktisch jedes Ersatzteil an Lager haben und somit immer reparieren können."
Nichtsdestotrotz plant Wortmann mittelfristig, auch personell wieder in der Schweiz präsent zu sein. Er hoffe, dass dies bis Ende Jahr soweit umgesetzt werden könne, erklärt Sascha Wiebe und führt aus: "Die Wortmann-Gruppe besteht aus rund 30 Unternehmen. Eines davon ist die Firma Westfalia Solutions Logistics Switzerland mit Sitz in Balsthal, die automatische Hochregallager baut. Das Ziel ist, Wortmann Schweiz und Westfalia Solutions Logistics Switzerland in einem Gebäude zusammenzufassen und dann auch Synergien zwischen diesen beiden Unternehmen zu nutzen." Wir gross das Schweizer Wortmann Team dann sein soll, sei noch nicht klar. Sicher wolle man den Vertrieb vor Ort realisieren, aber er gehe aktuell davon aus, dass das Team nicht mehr so gross sein wird, wie es bislang war, erklärt Wiebe.

Dies dürfte im Sinne von Wortmann-Vorstandschef Siegbert Wortmann, sein, der jüngst auf der deutschen Plattform "CRN" erklärte, dass die Schweizer Niederlassung ohnehin überbesetzt gewesen sei. Wiebe fügt zu dieser Aussage an, dass die Produkte letztlich halt zuverlässiger geworden seien, nicht mehr so viele Reparaturen angefallen sind und dadurch die Techniker in der Schweiz nicht immer voll ausgelastet waren. "Man hätte die Arbeit, die bei Wortmann Schweiz angefallen ist, wohl auch mit weniger Leuten machen können", sagt Sascha Wiebe, fügt aber an, dass ein Stellenabbau nicht zur Diskussion gestanden sei und dass es immer Spitzen gab, für die man den gesamten Personalbestand gebraucht habe. "Das können wir jetzt in Deutschland aufgrund der Grösse natürlich auch besser abfedern."


Dass das gesamte Wortmann-Schweiz-Team das Unternehmen nun geschlossen verlässt, sei unternehmerisch sicherlich abzufangen, erklärt Sascha Wiebe zum Abschluss. "Menschlich gesehen aber ist das Ganze natürlich schon sehr schade. Schliesslich war ich seit der Gründung von Wortmann Schweiz mit dem Team eng verbunden." (mw)


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