Freud und Leid der Gaming-Industrie

Spielehersteller spüren die harzigen Absätze. Die Hoffnungen ruhen auf den neuen mobilen und der nächsten Generation der stationären Spielkonsolen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/10

     

Während Jahren kannten die Umsätze der Hersteller von PC- und Konsolen-Spielen nur eine Richtung: steil aufwärts. Ein Blick auf die Zahlen des Branchenleaders Electronics Arts (EA) verdeutlicht dies eindrücklich: Im Jahr 1996 erwirtschaftete das Unternehmen, das Spiele für alle Plattformen entwickelt, einen Umsatz von 532 Mio. Dollar. Im letzten Geschäftsjahr waren es 3,129 Mrd. Dollar und damit rund sechsmal mehr. Trotzdem hat die Firma zurzeit keinen Grund zum Jubeln. Die letzten Quartalszahlen sind katastrophal ausgefallen: Der Gewinn im vierten Quartal des EA-Geschäftsjahres ist von 90 Mio. Dollar im Vorjahr auf 8 Mio. Dollar zusammengeschmolzen. Ein Absturz um 91 Prozent. Der Umsatz befand sich mit einem Minus von 8 Prozent auf 553 Mio. Dollar ebenfalls auf Talfahrt.
Für die nahe Zukunft ist bei EA keine Besserung auszumachen: Im laufenden Quartal, das am 30. Juni endet, rechnet das Unternehmen mit einem Umsatzeinbruch von 21 bis 31 Prozent im Vergleich mit der Vorjahresperiode sowie einem Verlust zwischen 68 und 87 Mio. Dollar.

Warten auf die nächste Generation

Die Analysten erklären sich die Turbulenzen beim Marktführer mit den Kosten für neue und exklusive Lizenzverträge für die Rechte von verschiedenen Sportverbänden. Diese Lizenzen benötigt EA für die möglichst realitätsnahe Entwicklung der verschiedenen Sportspiele. Jedoch sind diese Kosten bei weitem nicht der einzige Grund, weshalb das Unternehmen und mit ihm die ganze Branche darbt.
Die Verkaufszahlen brechen ein, weil das Warten auf die nächste Generation der Spielkonsolen begonnen hat. Bevor die neuen, leistungsstärkeren Konsolen erscheinen, sind selbst fleissige Zocker zurückhaltend beim Einkauf von neuen Spielen.
Diese Ausgangslage bestimmt auch die Entwicklung in der Schweiz: Gemäss Zahlen des Branchenverbandes Swiss Interactive Entertainment Association (SIEA) ist der Umsatz mit Spielkonsolen und Spielen sowohl für PCs als auch Konsolen im Jahr 2004 von 175 Mio. auf 146,5 Mio. Franken gesunken – ein Rückgang um 16,6 Prozent. Am stärksten wirkten sich dabei die rückläufigen Konsolenverkäufe und der damit einhergehende Preis- und Margenzerfall aus: Während die verkauften Stückzahlen um 20 Prozent sanken, brach der wertmässige Umsatz um über 40 Prozent ein.
Beim Verkauf der Spieltitel sieht die Situation besser aus: Der Umsatz sank dort lediglich um 1,6 Prozent auf 108,9 Mio. Franken. Die Stückzahlen gingen indes um 4,5 Prozent zurück. Bei den Spielen für PCs betrug das Minus 17,7 Prozent. Die Konsolen-Titel entwickelten sich dagegen besser und konnten umsatzmässig gar um 4 Prozent auf 85,7 Mio. Franken zulegen.

Zwischenhoch mit den Portablen

Die gegenwärtige Situation auf dem Markt treibt die Konsolidierung voran. Aus Japan wird vermeldet, dass sich die beiden Firmen Bandai und Namco zu einem Joint-venture vereinigt haben. Bandai ist mit den eierförmigen Tamagotchis bekannt geworden und ist Inhaber der Rechte an synthetischen Figuren wie Astro Boy oder Power Rangers. Namco zeichnete für den Klassiker Pac Man verantwortlich sowie in jüngerer Zeit für Kassenschlager wie Ace Combat oder Tekken. Das Joint-venture geht im September an den Start und wird aufgrund der vereinten Kräfte zur Nummer 2 auf dem japanischen Markt hinter Sega. Electronic Arts hat hingegen Ende letzten Jahres 20 Prozent von Ubisoft übernommen, der Nummer drei in Europa. Seither wartet die Fachwelt darauf, dass EA auch den Rest des französischen Herstellers übernimmt.
Zuerst sucht die Branche nun aber ihr Heil bei den portablen Konsolen. Die Absatzzahlen des Modells Nintendo DS haben sich seit dem Verkaufsstart in Europa am 11. März gemäss Herstellerangaben gut entwickelt: Bis Ostern ist die mobile Daddel-Box 500’000 mal verkauft worden. Und wenn im September die Playstation Portable von Sony an den Start geht, wird die Nachfrage nach den entsprechenden Spielen ebenfalls angeheizt. Definitiv aufwärts wird es spätestens gehen, wenn die nächsten Versionen der stationären Konsolen von Microsoft (siehe Kasten), Nintendo und Sony auf den Markt kommen werden. Jene Spielentwicklungsfirmen, die bis dann überlebt haben, dürfen sich freuen. (map)

Früher als man dachte

Die Neuauflage der Spielkonsole von Microsoft, die Xbox 360, soll rechtzeitig zum kommenden Weihnachtsgeschäft auf den Markt kommen. Mit dieser Ankündigung hat Microsoft, öffentlichwirksam inszeniert mit dem Musiksender MTV, die Welt am 12. Mai überrascht.
Microsoft hofft mit der frühen Lancierung, Sony Marktanteile abjagen zu können – die nächste Playstation wird voraussichtlich erst irgendwann im nächsten Jahr erscheinen.
Im Innern der Xbox 360 steht ein IBM-PowerPC-Prozessor mit drei Kernen mit je 3,2 GHz Taktfrequenz im Einsatz. Die Grafik wird durch einen dedizierten ATI-Chip mit 500 MHz und integrierter 48-Weg-Parallel-Fliesskomma-Einheit unterstützt. Damit wird eine Leistung von 500 Millionen Polygone pro Sekunde erzielt. (map)


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